Chronik des Dürkheimer "Straßenkampfs" von 2023

Am 3. November 2022 ließ die Stadt Bad Dürkheim völlig überraschend für mich eine Bombe platzen. Der pfälzische Mondforscher Philipp Fauth, der fast dreißig Jahre in Landstuhl (Westpfalz) in zwei Mondwarten gewirkt hatte und dessen Namen mir seit meiner dort verlebten Jugend bekannt ist, sei NSDAP- und SS-Mitglied gewesen (ohne Belege dafür anzuführen!) und man wolle daher die Philipp-Fauth-Straße in Bad Dürkheim umbenennen.

Mir war eine NS-Belastung des berühmtesten Landstuhler Wissenschaftlers (und selbstverständlich dort geehrten Forschers) völlig neu und so rief ich also mit einigem Interesse die Dialogplattform der Stadt im Internet auf - und musste dort so ziemlich das Gemeinste lesen, was ich je über einen Menschen gelesen habe! Aber man kann es auch ins Positive wenden: die Stadt Bad Dürkheim hatte mir gerade mit Nachdruck die Beschäftigung mit zwei spannenden Themen nahegelegt: Heimatgeschichte und Wissenschaftsgeschichte. Denn es ist nicht hinzunehmen, dass ein Historiker, mehr Ideologe als Wissenschaftler, und eine Stadtführung teils vorsätzlich, teils achselzuckend den Ruf eines für seine Mondkarten und -bücher ehemals weltweit bekannten und hochgeschätzten Pfälzer Wissenschaftlers ruinieren, gegen den in Wirklichkeit nicht mehr vorgebracht werden kann als der Wunsch nach einem guten finanziellen Auskommen im Alter und ein paar aus dem Zusammenhang gerissene Worte. Eine eingehende Analyse der Vorwürfe der Stadt und ihre Einordnung finden Sie in meinem heimatwissenschaftlichen Artikel in der "Pfälzer Heimat" 1/2024 oder hier.

Zum Glück gab es auch ein paar andere Menschen in Bad Dürkheim, die die Dinge ähnlich sahen - leider bis auf eine Ausnahme allesamt nicht in gewählten Ämtern - und die sich aufmachten, die beschämende Rufmordkampagne der Stadt schließlich erfolgreich zu stoppen. Hier also eine chronologische Abfolge der Ereignisse des "Dürkheimer Straßenkampfs" des Jahres 2023 aus der Perspektive des Verfassers. Mögen uns die Dürkheimer Ereignisse von 2023 ermutigen, gegen Geschichtsvergessenheit und falsche Verdächtigungen und für mehr Anstand in der Politik und Respekt vor den Leistungen früherer Menschen einzutreten.

Die Abbildungen lassen sich zur Vergrößerung anklicken.

Wolfgang Fallot-Burghardt, Bad Dürkheim, 2024


03.11.2022: Vorstellung der Straßenumbennungskampagne der Stadt Bad Dürkheim

Falscher Fauth!
Einschätzung R. Höhn
Am 03.11.2022 stellt die Stadt Bad Dürkheim auf ihrer Internetseite die Ergebnisse ihrer historischen Recherche zu dem Verhalten der Namensgeber dreier Dürkheimer Straßen in der NS-Zeit online. Im Ergebnis soll die Philipp-Fauth-Straße umbenannt werden in Johannes-Fitz-Straße nach einem Dürkheimer Winzer und Akteur des Hambacher Fests. Die Bürger sind eingeladen, der Stadt auf ihrer neuen Bürgerbeteiligungsplattform im Internet Rückmeldung zu geben, was diese rege nutzen: das Gutachten zu Philipp Fauth, verfasst von dem Düsseldorfer Historiker Dr. Julien Reitzenstein, steht nach kurzer Zeit bereits wegen mangelnder Wissenschaftlichkeit, Voreingenommenheit, unbelegter Behauptungen und sogar wegen Beleidigung heftig in der Kritik. Da fällt auch das von der Stadt verwendete falsche Porträtbild nicht weiter ins Gewicht. Der bekannte Hardenburger Heimatforscher Reinhold Höhn äußert sich beispielsweise folgendermaßen.


November und Dezember 2022

November und Dezember sind gekennzeichnet von meinem Versuch, mit der Stadt Bad Dürkheim auf der Beteiligungsplattform im Internet ins Gespräch zu kommen. Es dauert acht Wochen, bis eine substanzielle Antwort eintrifft. Im Nachhinein ist die Pause verständlich: die Stadt arbeitet in dieser Zeit an einem zweiten Gutachten, da ihr das Reitzenstein-Gutachten nach der einhelligen Kritik wohl doch als ergänzungsbedürftig erscheint. Hier exemplarisch eine meiner Mails (kopiert von hier):

Lieber unbekannter Mitarbeiter der Stadt Bad Dürkheim,

wie gerne würde ich Sie mit Ihrem Namen anreden ! Vielleicht können Sie einmal Ihr Inkognito lüften ... man wüsste gerne, mit wem man einen Dialog führt.

Sehen Sie, schon das von Ihnen angeführte Zitat aus Dr. Reitzensteins Text (unten noch einmal kopiert) legt gravierende Mängel des sog. Gutachtens deutlich offen:

Quellen werden pauschal genannt, anstatt dass konkrete Aussagen aus konkret genannten Quellen zitiert werden, auch nicht anderswo. Ich habe überhaupt keinen Grund, dem Autor irgendetwas zu glauben, außer er belegt es ! Die erfolgreiche Aufnahme des Fauth in die NSDAP müsste der Autor belegen. Es gibt auch anderswo im Gutachten keinen Beleg hierfür. Die Aussage zum "graduellen" Antisemitismus des Fauth kommt schon fast einer Diffamierung gleich. Es wird keine einzige antisemitische Aussage zitiert, ich schätze sogar, der Autor hat keinen einzigen Beleg für Antisemitismus bei Fauth gefunden. Er will aber nicht von seiner These lassen und unterstellt daher dem Fauth als NSDAP-Mitglied (auch das nicht belegt) einfach pauschal Antisemitismus. Mir graust, auch weil die Stadt Bad Dürkheim und mein werter Gegenüber sich offensichtlich eine so schludrige und böswillige Argumentation zu eigen machen.

Ich hoffe auf Ihre wohldurchdachte und seriöse Antwort im Januar.

MfG,

Wolfgang Fallot-Burghardt

-------------------------------------------------

Aus dem "Gutachten" der Stadt Bad Dürkheim zu Philipp Fauth, veröffentlicht auf dialog.bad-duerkheim.de seit 03.11.2022:

"Die Quellen zeigen in Fauth einen langjährigen völkischen Erzieher und Nationalisten, der die Ziele des aufkommenden Nationalsozialismus guthieß und sich erfolgreich um Aufnahme in die NSDAP bemühte. Er trat nach bisheriger Quellenlage nicht als extremer Antisemit auf, jedoch ist der Eintritt in die NSDAP stets als Bekenntnis auch zum Antisemitismus zu werten. Das graduelle Maß an Antisemitismus Fauths mag weiterer Forschung vorbehalten bleiben."

Es bleibt hinzuzufügen, dass die Stadt bis heute nicht die NSDAP-Mitgliedschaft beweisen kann und man den später gefundenen "Beweis" für Antisemitismus auch anders interpretieren kann, gleichzeitig aber drei entlastende Textstellen außer Acht gelassen hat. Fauth war Volksschullehrer, das kann man schon einmal mit einem "völkischen Erzieher" verwechseln.


17.01.2023: Vorstellung des zweiten Gutachtens

Zwei Tage vor einer Bürgerversammlung zum Thema stellt die Stadt ein anonym verfasstes zweites Gutachten über Philipp Fauth ins Internet. Leider kein echter Neustart, es geht der Stadt in einer Mischung aus Gesichtswahrung und Ideologie nur noch um den Beweis der These vom verwerflichen Nazi Fauth. Der Autor oder die Autoren bemühen sich nicht einmal, eine abwägende Haltung vorzutäuschen, sondern bürsten ganz ungeniert Fauths Leben so auf rechts, dass es zu ihrer These passt. An den entscheidenen Stellen bemüht sich die mit großem Fleiß gemachte Ausarbeitung leider nicht um Kontext und inhaltliche Durchdringung - wenn es nämlich das gewünschte Ergebnis gefährden könnte. Aber immerhin wird wissenschaftlich korrekt belegt. Meine Analyse der Anschuldigungen der Stadt und ihre Widerlegung finden Sie hier. Meine erste Beurteilung finden Sie hier (die peinlich um Konsens bemühte Einleitung würde ich heute nicht mehr wiederholen).

Auch in diesem Gutachten wird wieder eine NSDAP-Mitgliedschaft Philipp Fauths behauptet. Die Stadt begründet dies nun damit, dass ein Bekannter ihn in einem Nachruf für ein Parteimitglied gehalten habe (es gab allein in Zeitungen sechsundsechzig Nachrufe auf Fauth), dass sich in seinem Nachlass ein Rundschreiben der NSDAP befunden habe und dass bei seiner Beerdigung Mitglieder der Ortsgruppe Grünwald der NSDAP anwesend gewesen seien. Wir müssen Ihnen nun raten: teilen Sie allen Ihren Bekannten mit, in welchen Organisationen Sie nicht sind, und seien Sie vorsichtig, was Sie vom Boden aufheben und wen Sie auf Ihrer Beerdigung einlassen, sonst könnte das einmal gegen Sie verwendet werden !


19.01.2023: Bürgerversammlung zur Straßenumbenennung im Dürkheimer Haus

Meine Rede
Gutachten archiviert

Auf der lebhaften Bürgerversammlung, auf der ich eine kurze Rede halte, bin ich stinksauer. Bürgermeister Glogger (SPD) beginnt die Versammlung mit den Worten, dass man sich doch bei aller unterschiedlicher Auffassung von gegenseitigem Respekt leiten lassen möge. Ein schöner Zug, aber nicht ganz glaubwürdig, denn von Respekt gegenüber dem toten Mitbürger Philipp Fauth fehlt ja leider jede Spur in den von der Stadt gebilligten Gutachten, insbesondere in dem mit einigen Beleidigungen durchsetzten Reitzenstein-Gutachten.

Selbstverständlich geht Bürgermeister Glogger nicht auf meinen Vorschlag ein, sich für die unbewiesenen Vorwürfe der NSDAP- und SS-Mitgliedschaft Fauths bei der anwesenden Fauth-Enkelin Regine Müller-Fauth zu entschuldigen. Hierfür besteht keine Notwendigkeit, denn Angehörige von NS-Verdächtigen sind von dem oben beschworenen Respekt natürlich ausgenommen.

Nach meiner herben Kritik wird das Reitzenstein-Gutachten am nächsten Tag vom Netz zurückgezogen. Bürgermeister Glogger gibt gegenüber der Lokalzeitung "Die Rheinpfalz" an, dass es "nicht zurückgezogen, sondern nur von der Dialog-Plattform genommen" worden sei. Die Rheinpfalz ("Bürgerentscheid am 24. September", 19.08.2023) benutzt die Wendung vom Gutachten, "auf das sich die Stadt später nicht mehr bezog." Im Amtsblatt vom 24.03.2023 wird die Stadt das Gutachten als vorzeitig "aus technischen Gründen archiviert" apostrophieren. Man kann es sich nicht schöner ausdenken.

Unsere Lokalzeitung "Die Rheinpfalz" bespricht in ihrem Artikel vom 21.01.2023 meine Rede wie folgt: Einen längeren Redebeitrag hatte Wolfgang Fallot-Burghardt. Er kritisiert fehlende Belege für eine Mitgliedschaft in der NSDAP und empfahl den Nachkommen Fauths, zu prüfen, ob sie nicht wegen "übler Nachrede" klagen wollen. Die Stadt setze zudem das mit Fauth verbundene Ahnenerbe mit der SS und Himmler gleich, um Fauth zu verunglimpfen. Er sehe Fauth eher in seinem Elfenbeinturm, seiner Sternwarte. "So geht man nicht mit Menschen um", kritisiert er.

Zum einen bin ich natürlich dankbar, dass meine Rede bei der Rheinpfalz überhaupt Erwähnung gefunden hat. Andererseits wurde meine Kritik sehr deutlich weichgespült - ich habe ja der Stadt eine Menge Paragrafen an den Kopf geworfen (hier noch einmal meine Rede im Original). Mein Versuch, per Leserbrief die fehlenden Inhalte und den erreichten Rückzug des Reitzenstein-Gutachtens unterzubringen, wird vom Leiter der Dürkheimer Redaktion Alexander Sperk mit der Begründung abgelehnt, dass man von mir als handelndem Akteur und "Gutachter" keine Leserbriefe in eigener Sache entgegennehmen könne, aber man wolle sich die Information für einen zukünftigen Artikel vormerken. Die möglicherweise strafbare Verleumdung und Beleidigung Fauths wird die Zeitung nie thematisieren, aber der Rückzug des Gutachtens wird bereits am 08.02.2023 in einem Interview mit Regine Müller-Fauth und dem Urenkel Thomas Drumm erwähnt, in dem diese zu meiner Verwunderung einigen Vorwürfen der Stadt im zweiten Gutachten zustimmen, ohne diese zuvor kritisch überprüft zu haben. In einem merkwürdigen Zufall kommt es am gleichen Tag zu einer Anomalie in der Rotation des Mondes ("Stumble"), die später durch einen großen Drehimpulsübertrag von der Erde, übertragen durch die wechselseitigen Gezeitenkräfte, erklärt wurde.

Als die Stadt eine Woche später still und heimlich in einem Update des zweiten Gutachtens auch den Vorwurf der NSDAP-Mitgliedschaft Fauths fallen lässt, versuche ich erneut, diese Nachricht bei der Zeitung unterzubringen. Aber wieder hält die Rheinpfalz die Hand über die Stadt und unterdrückt diese wichtige Meldung (meines Wissens bis zum heutigen Tag). Als die städtische Museumsleiterin Dr. Hallmann-Preuß etwas später ins Archiv des Deutschen Museums nach München fährt und dort wenig Neues über Fauth findet, ist dies der Zeitung aber einen gar nicht so kurzen Artikel wert. Ich beginne ernsthaft zu überlegen, unser Rheinpfalz-Abo zu kündigen, aber meine Frau ist dagegen.

Auch wenn die Rheinpfalz oft städtischen Vertretern unkritisch eine Plattform für ihre Positionen geboten und für die Stadt ungünstige Fakten abgemildert und sogar zurückgehalten hat (siehe auch die FCK-AFD-Affäre), was ihrer Verantwortung als einziges Printmedium mit Lokalpolitkberichterstattung nicht gerecht wird, so ist ihr doch anzurechnen, dass sie auch viele Leserbriefe abgedruckt hat, die der Umbenennung kritisch gegenüberstanden, vor allem in der Zeit vor dem Bürgerentscheid, als der Wählerwille sich schon abzuzeichnen begann.


28.03.2023: Stadtrat beschließt die Umbenennung der Philipp-Fauth-Straße

Der Stadtrat beschließt mit 24 Stimmen gegen 1 Stimme bei 3 Enthaltungen die Umbenennung der Philipp-Fauth-Straße und zweier anderer Straßen. Im Rat sind vertreten: CDU, SPD, Grüne, FWG, FDP. Die Gegenstimme kommt von Stadtrat Jonny Papistock (SPD).

Ratsmitglied Markus Wolf (CDU) "erinnert an den langen Prozess, der aber notwendig war, um sich mit allen Betrachtungsweisen auseinanderzusetzen." Die Betrachtungsweise des renommiertesten Dürkheimer Heimatforschers Reinhold Höhn scheint allerdings keinen bleibenden Eindruck gemacht zu haben, und als Außenstehender ist der beschworene "lange Prozess" aus den Protokollen auch nicht nachzuvollziehen. Vermutlich wurde auch größtenteils nur über die polititischen Implikationen diskutiert, aber die Gutachten nie kritisch hinterfragt. In keinem Protokoll ist je eine kritische Gegenmeinung vermerkt.

Im Kulturauschuss macht Thomas Giel (Grüne) deutlich, "dass die Aufarbeitung so eindeutig sei, dass überhaupt keine Diskussion über die Beibehaltung der Straßennamen notwendig sei." War es also doch eher ein "kurzer Prozess" ? Früher waren die Grünen kritischer gegenüber Autoritäten und ihren Meinungen. Es hängt wohl auch davon ab, was diese verkünden.

Ratsmitglied Jochen Schmitt (FWG) gibt zu Protokoll, "eine Nichtehrung sei nicht automatisch eine Entehrung." Das ist grundsätzlich richtig. Allerdings würde ich die in Reitzensteins Gutachten gemachten Beleidigungen, die öffentlich auf den Webseiten der Stadt verbreitet wurden, sehr wohl als eine solche bezeichnen. Und auch die öffentliche Unterstellung einer NSDAP- und einer SS-Mitgliedschaft, ohne Beweise dafür zu haben - man fasst es nicht, wie unbekümmert hier mit dem Ruf eines Menschen umgegangen wurde - , ist natürlich eine öffentliche Entehrung.

Es ist mir nicht bekannt, wieviele Stadträte wirklich die Gutachten gelesen haben. Wem sich aber beim Lesen des Reitzenstein-Gutachtens nicht instinktiv die Zehnägel eingerollt haben, verfügt nicht über das Urteilsvermögen, das man von einem Stadtrat oder einer Stadträtin erwarten muss. Man hätte auch die Kritik, wenn nicht meine, dann aber doch die eines Reinhold Höhn, ernst nehmen müssen.


01.06.2023: Bürgerbegehren

Der Stadtratsentschluss ist der Startschuss für eine Seebacher Bürgerinitiative zur Unterschriftensammlung für einen Bürgerbescheid. Am 01.06. sind 1'537 Unterschriften zusammen, womit das Quorum von 8 % der Wähler deutlich überschritten ist. Der Zuspruch der Bürger und Bürgerinnen ist gewaltig, der Unmut in der Kurstadt über das Vorgehen der Stadt ist groß. Der Bürgerentscheid (Volksabstimmung) wird auf den 24.09.2023 festgesetzt.


25.06.2023: Bad Dürkheim wählt Natalie Bauernschmitt (CDU) zur neuen Bürgermeisterin

Große Überraschung in der Kurstadt: mit drei Stimmen Vorsprung (Wahlbeteiligung 49 %) wählt Bad Dürkheim die vorher unbekannte junge Kandidatin der CDU aus Alzey zur neuen Bürgermeisterin, und beendet damit Bürgermeister Gloggers Amtszeit zum 31.12.2023. Der Favorit Glogger, der acht Jahre Zeit hatte, die Bürger und Bürgerinnen Dürkheims von seiner Amtsführung zu überzeugen, zeigt sich als fairer Verlierer und gesteht seine unerwartete Niederlage ein, ohne eine Nachzählung zu verlangen. Die sehr unpopuläre Straßenumbenennung hat ihn wichtige Stimmen gekostet, auch 2015 war Glogger nur relativ knapp mit 52,8 % der Stimmen ins Amt gewählt worden. Auf die spätere Frage der Rheinpfalz, ob er es bereue, die Straßenumbenennungen vorangetrieben zu haben, antwortet Glogger: "Ich bin mir am Ende immer treu geblieben. Das war richtig."


September 2023: "Wahlkampf" in Bad Dürkheim

Flugblatt
Plakat
Plakat
Plakat

Im September ist Wahlkampf in Bad Dürkheim. Auch ich mache mit und lasse 11'000 Flugblätter zu Philipp Fauth drucken und an Dürkheimer Haushalte verteilen und erhalte einige sehr nette Rückmeldungen. Auch die Bürgerinitiative gegen die Straßenumbenennung hat ein neues Flugblatt und Ingrid Bauer, die Urenkelin des Heimatdichters Karl Räder, verteilt ein sehr berührendes, persönlich gehaltenes Flugblatt über ihren Vorfahren an die Haushalte.

Etliche Dürkheimer Bürger erlauben der Bürgerinitiative, Plakate an ihren Häusern aufzuhängen und setzen so ein klares Zeichen gegen den zeitgeistigen Kurs der Stadt. An dieser Stelle sollte einmal gesagt werden: keinem der Straßennamensgeber werden Verbrechen vorgeworfen, keiner war NSDAP-Mitglied soweit bekannt, und es gibt auch keine Belege dafür, dass Fauth ein "überzeugter Anhänger der Nazi-Ideologie" war (Glogger, 18.07.2023 im Stadtrat). Dem Maler Gustav Ernst werden gar nur seine Tagebucheinträge vorgeworfen.

Auch die Stadt macht mobil und hängt stylische Plakate an Bäumen und Laternen rund um den Römerplatz auf, an ihre Follower im Internet verteilt sie grafisch gestaltete Werbebotschaften für den Meinungskampf auf Social Media, mit Slogans wie "Für ein demokratisches Bad Dürkheim. Gehen Sie wählen!" Konnte ich mir ursprünglich gar keinen Reim auf eine solche Aussage machen (Wollte jemand in Bad Dürkheim die Demokratie abschaffen?), so wurde mit den jüngsten "Aufstehen für die Demokratie"-Demonstrationen klar: "Demokratisch" sind nur noch die von den Regierungsparteien erwünschten Meinungen, andere Ansichten wie die der Umbenennungsgegner passen nicht mehr - siehe oben - zu einem demokratischen Gemeinwesen. Der infamen Absprechung der Zugehörigkeit zum demokratischen Meinungsspektrum könnten eines Tages auch noch "demokratiefördernde" Maßnahmen folgen, man will angesichts der aktuellen Gedankenspiele über einen "starken Staat" in Berlin und in Mainz gar nichts mehr ausschließen. Auch der Slogan "Andere haben mehr Ehre verdient" konnte nicht restlos überzeugen. Mit dieser Logik bekämen wir ein sehr dynamisches Straßenbenennungswesen, worüber nicht alle Straßenanwohner gleichermaßen erfreut sein dürften.

Besonders viele Plakate werden in unmittelbarer Nähe des Infostands der Bürgerinitiative aufgehängt, die an zwei Samstagen vor der Abstimmung auf dem Römerplatz über ihr Anliegen informiert (an einem Tag bin ich auch vor Ort). Das städtische Ordnungsamt wacht penibel darüber, dass jede Sichteinschränkung von Plakaten durch den Stand unterbleibt.

Auch die Stadt betreibt einen Stand in der Innenstadt, an dem neben Vertretern des Stadtrats auch bspw. der CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Steiniger seine Unterstützung der Umbenennung demonstriert, die er auch in einem Interview mit dem Mannheimer Morgen mit dem sympathischen Titel "Ist Ihre Heimatstadt ein braunes Kaff, Herr Steiniger ?" (20.09.2023, Journalist: Stephan Alfter) bereits vorgetragen hat. Ein aufrechter Christdemokrat alten Schlags hätte bei einer so rotzfrechen Eingangsfrage auf dem Absatz kehrtgemacht. Hier finden wir auch das folgende schöne Zitat von Steiniger: "Dabei sind wir doch gerade ein starkes, anerkanntes Mitglied der Europäischen Union, weil wir in den vergangenen 70 Jahren eine gute Aufarbeitung unserer Geschichte hinbekommen haben." Ein paar andere Gründe mögen auch noch dazu beigetragen haben.


03.09.2023: Entgleisung von Lokalpolitikern und städtischen Mitarbeitern auf Facebook

Facebook-Gruppe

Am oder vor dem 03.09. postet der grüne Stadtratskandidat Robert Kröner die nebenstehende unflätige Schmähung der Bürgerinitiative ("FCK AFD" = "Fi*k Dich, AfD" auf dem Flugblatt der Dürkheimer Bürgerinitiative) in einer Facebook-Gruppe, womit ihm die Ehre zukommt, Gossensprache von Linksextremen in die Dürkheimer Kommunalpolitik eingeführt zu haben. Die wichtigen städtischen Mitarbeiter Dr. Britta Hallmann-Preuß und Marcus Brill, ebenso Angela Strobel, Vorsitzende der Freien Wähler Bad Dürkheim, liken umgehend diesen Beitrag (d.h. sie heißen ihn gut), und mit Regina Zienczyk vom sog. "Bündnis für Vielfalt und Toleranz" findet sich ein weiterer in Dürkheim bekannter Name in diesem wenig toleranten Club ein.

Offensichtlich unterstellt Kröner hier der Bürgerinitiative eine Nähe zu oder gar eine Mitgliedschaft in der AfD. Letzteres wäre eine "Üble Nachrede" nach § 186 StGB (Strafgesetzbuch), weil keiner der Mitglieder der Bürgerinitiative in dieser Partei ist, zusätzlich zur Beleidigung nach § 185 StGB durch das "FCK". Zwei Mitglieder der Bürgerinitiative haben Strafanzeige gegen den Verfasser des Beitrags gestellt. Wenn Herr Kröner ungeschoren davon käme, dann sicher deshalb, weil er ganz genau weiß, was auf den Social-Media-Plattformen gerade noch so unter Meinungsfreiheit fällt (frei nach Familienministerin Lisa Paus).

Es macht fassungslos, dass die Leiterin des Dürkheimer Stadtmuseums Dr. Britta Hallmann-Preuß ihr 'Plazet' auf eine derart vulgäre Schmähkritik gesetzt hat, ebenso Marcus Brill, Leiter des Fachbereichs Tourismus der Stadt und verantwortlich für Marketing und damit auch für die Außenwirkung und das Ansehen der Stadt. Die beiden Protagonisten der Kampagne in der Stadtverwaltung agierten auch als Sekundanten ihres Bürgermeisters in der Bürgerversammlung vom Januar 2023. Dr. Britta Hallmann-Preuß zeichnet verantwortlich für eine Sonderausstellung "Der Ehren wert ?" im Bad Dürkheimer Stadtmuseum, in der sie sich mit einem aufgrund seiner Einseitigkeit letztlich selbstentlarvenden Poster über Fauth mit naturwissenschaftlichen Schwächen und mit einem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat im Stil des zweiten Fauth-Gutachtens an der Scharfrichtung Fauths beteiligt. Es kann einem schon mulmig werden, wer da im städtischen Museum verantwortlich für die Präsentation unserer Geschichte ist.

Am 06.09.2023 bestätigt Bürgermeister Christoph Glogger in einer Email an die Bürgerinitiative die privaten "Likes" seiner Mitarbeiter: Sie werden sicher wahrgenommen haben, dass diese Zustimmungen von den privaten Accounts der genannten Personen vorgenommen wurden. Beide Personen [Markus Brill und Dr. Hallmann-Preuß] leben in Bad Dürkheim und nehmen als freie Bürger an der öffentlichen Debatte teil. Es wäre völlig abwegig zu glauben, dass ich als Bürgermeister hier einschreiten müsste oder wollte.

Nun ja, wenn das Ansehen der Stadt durch die "Freizeitaktivitäten" ihrer Mitarbeiter:innen Schaden nimmt, hätte Herr Glogger sehr wohl eine Handhabe gehabt, vielleicht sogar eine Pflicht. Aus der Treuepflicht des Beamten ergibt sich, dass Beamte

  • bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren haben, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben,
  • sich sowohl innerhalb als auch außerhalb des Dienstes so zu verhalten haben, dass sie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert. Demnach haben sie alles zu unterlassen, was dem Ansehen des Staates, der Dienstbehörde oder dem Berufsbeamtentum schaden könnte. (Quelle: Beamtenmagazin)
Auch bei Angestellten darf der Arbeitgeber handeln, wenn die "Freizeitgestaltung" Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat, was man angesichts der erforderlichen Seriosität und Überparteilichkeit dieser Amtsträger hier zweimal bejahen kann. Aber gut, mit dem Bürgermeister, der hier auf bürgerlichen Anstand pfeift und als Disziplinarvorgesetzter versagt, müssen wir uns in Bad Dürkheim nicht länger befassen. Die selbstverständlich informierte Rheinpfalz lehnt eine Berichterstattung über die FCK-AFD-Affäre ab.

Ein Wort zur Bürgerinitiative (der ich nicht angehöre): sie verteidigt oder bestreitet nicht die festgestellten Verfehlungen der in Frage stehenden Straßennamensgeber, sondern beurteilt diese nur milder vor dem Hintergrund der damaligen Zeit und ist zu dem Schluss gekommen, dass Zusatzschilder an den Straßenschildern und entsprechende Biographien im Internet ausreichend gewesen wären. Beides hat die Stadt ja auch so beschlossen (zusätzlich zur Umbenennung).


04.09.2023: Bürgermeister Ralf Hersina (SPD) von Landstuhl gegen Umbenennung der dortigen Philipp-Fauth-Straße

Im Rheinpfalz-Artikel "Der Himmel, die Sterne und der Führer" vom 04.09.2023 erklärt der Landstuhler Bürgermeister Ralf Hersina (SPD) zur Philipp-Fauth-Straße in Landstuhl, "dass wer den Straßennamen nach Fauth ändern wolle, auch den Mondkrater umbenennen müsse" und weiter: "Wir müssen aus der Geschichte lernen und bewusst damit umgehen, es wäre nicht richtig, solche Dinge einfach totzuschweigen". Welch eine angenehm unaufgeregte und unideologische Sicht auf die Dinge, auch wenn man bei Fauth gar nichts totschweigen müsste.


21.09.2023: Interview des Bürgermeister Christoph Glogger (SPD)

Im letzten Interview des Bürgermeister mit der Rheinpfalz vor der Bürgerabstimmung benennt dieser den Kulturausschuss des Stadtrats als Haupttreiber der Umbenennungskampagne ([..] für mich war dann aber die intensive Debatte im Kulturausschuss ausschlaggebend). Ein Gremium also, das eigentlich für Tradition und Bewahrung der Stadtgeschichte zuständig ist, aber bereit ist, Reitzensteins Frontalangriff auf einen ehemaligen Mitbürger mit unbelegten Anschuldigungen und einem Komplettverriss hinzunehmen, ohne auf Nachbesserung zu bestehen. Mit Sätzen wie: "Fauth stand allem fern, was man unter Forschung und Lehre verstehen könnte." Da stimmt doch etwas an der Einstellung nicht.

Glogger führt weiter aus: Sonst stehen wir schnell Seite an Seite mit denen, die die Nazizeit verharmlosen und unsere Demokratie kaputt reden wollen. Lassen sich Glogger und der Kulturausschuss in ihren Entscheidungen etwa von Angst vor "Beifall von der falschen Seite" leiten, nicht von Sachgründen ? Wie hätte der Kulturausschuss denn entschieden, wenn ein Mitglied der AfD die Änderung der Straßennamen befürwortet hätte (es gibt meines Wissens keine öffentliche Äußerungen dieser Partei zur Debatte) ?

Weiter: [..] unsere wissenschaftlichen Recherchen sind eindeutig. Naja. Das Reitzenstein-Gutachten musste wegen unbelegter schwerer Anschuldigungen zurückgezogen werden, und ob Wissenschaftler an der Erstellung des anonymen zweiten Gutachten beteiligt waren, wissen wir nicht. Vielleicht war es auch nur das städt. Ordnungsamt ... (nicht falsch verstehen: ich habe gar nichts gegen diese wichtige Amt.) Das Gutachten über den Heimatdichter Räder endet 1945 und blendet damit die Nachkriegszeit aus, in der man wohl entlastende Tatsachen befürchtete. Warum fragte die Rheinpfalz nicht nach ?

Was mich sehr ärgert, sind die revisionistischen Töne in der Diskussion. Wer die Nazi-Verbrechen relativiert, spielt den Rechtspopulisten in die Hände. Das dürfen wir nicht zulassen. Hier hätte die Rheinpfalz unbedingt nachhaken müssen, hier hätte Glogger Ross und Reiter nennen müssen. Wer hat in Bad Dürkheim "Nazi-Verbrechen relativiert" ? Hält Glogger etwa Ernsts Tagebucheinträge, Räders Gedichte oder Fauths Ahnenerbeanstellung für Nazi-Verbrechen (Anmerkung: das Ahnenerbe wurde nicht als verbrecherische Organisation eingestuft) ? Oder gab es irgendwann Holocaustleugnungen ? Will er hier vielleicht der Bürgerinitiative die Verharmlosung echter Nazi-Verbrechen vorwerfen ? Das wäre absurd. Es sind genau solche Unterstellungen, die "den Rechtspopulisten in die Hände spielen" und empörte Bürgerinnen und Bürger aus dem etablierten Parteiensystem treiben.


24.09.2023: Klarer Sieg der Straßenumbenennungsgegner im Bürgerentscheid

Kurz vor der Abstimmung taucht das Reitzenstein-Gutachten wieder auf den Webseiten der Stadt auf. Wie unverfroren und verbissen muss man sein, um ein vermutlich strafbares Schmähgutachten wieder in die Öffentlichkeit zu tragen. Aber der Zweck heiligt die Mittel. Die Stadt Bad Dürkheim hat leider freie Bahn, nachdem die Familie Fauth den Klageweg nicht beschreiten will oder kann. Die federführende Fauth-Enkelin Regine Müller-Fauth und Urenkel Thomas Drumm haben im Februar 2023 sogar unter dem Eindruck des zweiten Gutachtens in einem Rheinpfalz-Interview, Frau Müller-Fauth auch in diesem Brief den Vorwürfen des Antisemitismus und einer antidemokratischen Einstellung Fauths beigepflichtet, ohne sich mit diesen kritisch befasst zu haben. Die Stadtverwaltung wird in den kommenden Monaten immer wieder auf diese Zustimmung verweisen. Regine Müller-Fauth verstirbt achtzigjährig im Juni 2023 und konnte so meine kritische Analyse und die Wendung der Ereignisse in Dürkheim nicht mehr miterleben.

Am Wahlabend kommt die unglaubliche Nachricht: Bei einer Wahlbeteiligung von 38 % sprechen sich 73,7 % der Bürger gegen die Umbenennung aus. Mit 4'256 Stimmen hat die Initiative mehr Zustimmung als die gewählte Bürgermeisterin bei ihrer Wahl erzielt, die nur 3'714 Stimmen auf sich vereinen konnte (von den Gegenstimmen ganz zu schweigen). Unglaubliche 4'256 Wähler und Wählerinnen - in den betroffenen Straßen leben nur 436 Personen, nicht wahlberechtigte Kinder und Ausländer inbegriffen - machten sich für dieses nur symbolische, aber moralisch hoch aufgeladene Thema auf den Weg zur Wahlurne. Ich freue mich wie Bolle und feiere mit der Bürgerinitiative bis in den späten Abend.

Die Pressemitteilung der 2021 erfolgreichen Bürgerinitiative gegen die Weinhotelpläne in der alten Stadtgärtnerei trifft auch in diesem Fall den Nagel auf den Kopf: Das Votum sollte der Verwaltungsspitze wie auch dem Stadtrat ein Beispiel geben, wie man insbesondere bei Großprojekten Bürgerbeteiligung ernsthaft organisiert und nicht nur als leere Worthülse im Munde führt.


09.11.2023: Reitzenstein-Gutachten wird zum zweiten Mal vom Netz genommen

Am 28.09.2023 - erst vier Tage nach dem Bürgerentscheid - entdecke ich wieder das Reitzenstein-Gutachten auf einer eigens für den Bürgerentscheid geschaffenen Webseite der Stadt. Ich reklamiere umgehend bei Bürgermeister Glogger, der es als eine "gutachterliche Ersteinschätzung eines Historikers, nicht als eine wissenschaftliche Arbeit" bezeichnet und als einen "Beitrag zur Diskussion". Ich wiederhole noch einmal meinen Hinweis auf die strafrechtlichen Sachverhalte. Am 09.11.2023 lässt Glogger das Gutachten endlich vom Netz nehmen.


08.11.2023: Kulturausschuss beschließt Texte für Zusatzbeschilderung an den Straßenschildern

Am 08.11. tritt der Kulturausschuss zusammen, um die Frage der Zusatzschilder an den Straßenschildern zu besprechen. Angenommen wird die weitestgehende Variante: bereits die Zusatzschilder sollen Hinweise auf die Verfehlungen geben, ein QR-Code verweist zusätzlich auf eine Webseite, auf der nur wenig mehr Informationen gegeben werden, insbesondere nicht über die Leistungen der Verfemten.

Bürgermeister Glogger sagt in der Sitzung (nach Rheinpfalz vom 10.11.23), "gestört und geärgert habe er sich bei Versuchen, die Zeit des Nationalsozialismus kleinzureden, zu relativieren und aus dem Blickfeld zu verschieben." Daran sollte sich Herr Glogger, der hier wieder einmal pauschal Verdächtigungen gegen Unbekannt äußert, auch wirklich stören, wenn es wirklich so wäre. Herr Glogger versucht aber wohl wieder einmal nur, Mitmenschen wie vermutlich auch mich, die die konkreten historischen Rechercheergebnisse zu unseren Straßennamensgebern hinterfragten und die die Schwere der Vergehen in Beziehung zu den Verdiensten setzten, als "Kleinredner" und "Relativierer" der Zeit des Nationalsozialismus an sich zu brandmarken. Herr Glogger wurde zu Recht für solche infamen Unterstellungen abgewählt.

Das Ausschussmitglied Manfred Geis wirft dem Heimatdichter Karl Räder vor, dass dieser seinem Freund, dem Juden Ludwig Strauß, in der Pogromnacht von 1938 (Reichskristallnacht) nicht beigestanden habe, als Dürkheimer und Ludwigshafener SA-Männer Juden misshandelten, einige davon kurzzeitig im KZ Dachau internierten, und etwa 25 Wohnungen und Geschäfte sowie die Synagoge verwüsteten. In der Konsequenz macht Geis damit allen Deutschen den Vorwurf der Zustimmung oder der Feigheit in der Reichskristallnacht, denn es sind nicht viele Fälle von Widerstand gegen die damaligen Übergriffe von SA- und SS-Schlägertrupps bekannt geworden. Man wüsste allzu gerne, wie Herr Geis damals gehandelt hätte, aber nach dieser Rede nehmen wir an, er hätte sich mutig der SA in Bad Dürkheim in den Weg gestellt und sie - natürlich gewaltfrei - mit einer unwiderstehlichen Rede von ihrem Vorhaben abgebracht.

Unter dem Straßenschild der Philipp-Fauth-Straße in Bad Dürkheim wird zukünftig der folgende Zusatz zu lesen sein:

Philipp Fauth, geboren am 19.3.1867 in Bad Dürkheim, gestorben am 4.1.1941 in Grünwald. Volksschullehrer und Amateurastronom, widmete sein Leben der Kartografierung des Mondes, zeichnete durch bloße Beobachtung eine der größten und exaktesten Mondkarten. Ab 1937 war er Angestellter der Forschungsgemeinschaft Ahnenerbe, einer (späteren) Einrichtung der SS. Frühe persönliche Korrespondenz zeigt seine antidemokratische und antisemitische Einstellung.

Der Kommentar der Bürgerinitiative ist klar: "Klare Missachtung des Wählerwillens !" (Rheinpfalz, 14.11.2023). Und auch ich tue mich mit Ingrid Bauer, der Räder-Urenkelin, zusammen und wir schreiben am 27.11. einen Brief an den Stadtrat, der in letzter Instanz den Beschluss fassen muss. In diesem heißt es unter anderem:

Die Vorwürfe einer antisemitischen und antidemokratischen Einstellung bei Philipp Fauth wurden nur aus jeweils einer einzelnen Fundstelle (in privaten Briefen) unter Missachtung des Kontexts geschlossen, in dem sich diese nämlich als deutlich harmloser darstellen, als die Stadtverwaltung dem Stadtrat glauben machen will, bei gleichzeitiger Ausblendung bekannter völlig entgegengesetzter Sachverhalte (Ehrenerklärung einer jüdischen Schülerin für Fauth, Fauths Vorsitz im revolutionären Landstuhler Bürgerrat von 1918). [...]

Am meisten verwundert uns aber die - wir können es nicht anders bezeichnen - politische Instinktlosigkeit, Zusätze an den Straßenschildern anzubringen, die den vorgebrachten Vorwürfen genauso viel Raum geben wie den Verdiensten. Glaubt man im Kulturausschuss nicht, dass die vielen Ja-Wähler vom 24.09.2023 und sogar die bisher Unentschiedenen dies als Nachtreten der Stadt verstehen würden, als eine Art Erziehungsmaßnahme und ungebetene Nachhilfe im Fach Geschichts- und Demokratieverständnis ? [...]

Der Stadtrat würde mit einer Annahme des Vorschlags des Kulturausschusses eindeutig gegen den Geist des Votums der Wähler und Wählerinnen vom 24.09.2024 verstoßen, die sich für eine Beibehaltung der Straßennamen und somit einen zurückhaltenden Umgang mit den echten oder vermeintlichen Sünden der Straßennamensgebern ausgesprochen haben. [...] Dass die Verdienste langjährig geehrter Dürkheimer Persönlichkeiten nur so kurz und die Vorhaltungen so breit behandelt werden sollen, ist beschämend und würde am allermeisten ein schlechtes Bild auf die heutigen Entscheidungsträger der Stadt Bad Dürkheim selbst werfen.

Die Umbenennungskampagne der Stadt hätte auch sehr an Glaubwürdigkeit gewonnen, wenn diese sich vorher einmal zu ihrer eigenen Verantwortung für die Verbrechen im Dritten Reich bekannt hätte. So wurden z.B. im städtischen Standesamt Juden und Jüdinnen zur Annahme jüdischer Vornamen gezwungen, im städt. Gewerbeamt die Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben betrieben, im städt. Einwohnermeldeamt die Deportationsliste der Juden zusammengestellt und anschließend im städt. Bauamt der Ankauf jüdischer Immobilien wie z.B. des Anwesens des Viehhändlers Reiß in der Weinstraße Süd unter Wert durchgeführt, von dem die Stadt möglicherweise bis heute mangels geltend gemachter Ansprüche profitiert. Natürlich setzte die Stadt wie viele andere Kommunen auch Zwangsarbeiter ein. Man hätte auch erwähnen können, dass der Stadtrat nicht protestierte, als seine SPD-Mitglieder nach der Machtergreifung 1933 in "Schutzhaft" genommen wurden, und dass all dies bis heute nicht wissenschaftlich aufgearbeitet worden ist (mehr zur Rolle der Kommunen im Allgemeinen hier). Bad Dürkheim dürfte sich - gleiches Recht für alle - nicht beklagen, wenn man demnächst irgendwo einen Dürkheimer Weg umbenennen wollte.


12.12.2023: Stadtrat beschließt Zusatzbeschilderung

Unsere Briefe (es wurden sogar zwei) werden in der Stadtratssitzung vom 12.12. mit keinem Wort erwähnt. Der Stadtrat beschließt die Zusatzbeschilderung ohne Änderungen. Es ist die letzte Sitzung unter Leitung von Bürgermeister Glogger, die neue Bürgermeisterin Natalie Bauernschmitt, die sich bisher bei dem Dürkheimer Reizthema "Straßenumbenennung" zurückgehalten hat, wird gegen Ende vereidigt. Möge mit ihr ein neuer Wind in Stadtverwaltung und Stadtrat einziehen !